Nach unserem alkohollastigen Abend in Danzig ging es schon früh weiter Richtung Berlin, allerdings nicht ohne vorher unseren Wodka-(Notfall)-Vorrat aufzustocken. Kaum über die Grenze gefahren hatte man das Gefühl, in eine andere Welt zu kommen. Von der Sauberkeit und den gepflegten Gebäuden und Straßen in Polen verwöhnt, konnte man den Charme von Berlin fast schon als „morbide“ bezeichnen. Marion klinkte sich ab Berlin aus und testete die neue ICE-Strecke nach München, Verspätung und Zugausfall inklusive.
Das Konzert am Abend fand im „Columbia Theater“ statt. Schon bei Fit For An Autopsy war der Laden gut gefüllt, doch die Fans wollten einfach nicht so richtig auftauen. Und obwohl Schreihals Ben und Goatwhore sich von Abend zu Abend steigerten und Ben kaum noch auf seinem Sitz-Showcase zu halten war, ließ die Begeisterung der Fans zu wünschen übrig, im Gegensatz zu den vergangen Shows in Osteuropa.
Aber Sepultura wurden vom ersten Moment an enthusiastisch abgefeiert. Vor allem der Sound war an diesem Abend brachial und selbst in den vorderen Reihen gab es kein Übersteuern oder ähnliches. Und während die Brasilianer ihrem Temperament freien Lauf ließen und auf der ganzen Linie überzeugten, schoss Gorka mit einem riesen Grinsen im Gesicht ein geiles Foto nach dem anderen. Auch nach unzähligen Shows wird er nicht müde, die Band ins rechte Licht zu rücken.
Am nächsten Tag liefen wir gegen Mittag in Hamburg ein. Der Club „Docks“ befand sich direkt auf der Reeperbahn und am Nachmittag machten wir uns schon ein erstes Bild von dieser „sagenumwobenen“ Straße. Leicht enttäuscht vom Mythos Reeperbahn widmeten wir uns der unmittelbaren Umgebung vom Hotel, den Landungsbrücken.
Das Publikum am Abend im „Docks“ war schon sehr speziell. Metalheads in Kutten konnte man an einer Hand abzählen, dafür gab es Dreadlocks und St. Pauli-Shirts im Überfluss. Doch nichts desto trotz waren die Fans schon bei Fit For An Autopsy in guter Stimmung und ließen die Zöpfe fliegen. Und auch Goatwhore und Obscura ernteten viel Zuspruch.
Sepultura ließen von Anfang an nichts anbrennen und spätestens bei „Territory“ wurde das „Docks“ zum Hexenkessel. Das Quartett ließ wie immer seiner Spielfreude freien Lauf und die Fans dankten es ihnen mit Circle Pits und fliegenden Haaren.
Nach einer viel zu kurzen Nacht ging es am nächsten Morgen schon gegen 06:00 Uhr los Richtung Saarbrücken. Dichter Nebel und feiner Nieselregen machten die lange Fahrt nicht angenehmer, doch trotz aller Wetterwidrigkeiten erreichten wir Saarbrücken gegen 13:30 Uhr.
Die „Garage“ in Saarbrücken lag direkt neben unserem Hotel und der Tourbus und die Band waren nur einen Steinwurf von uns entfernt. Die Show feierte ich zusammen mit meinen Sound-Infection Kollegen Matthias Hellmann ab. Wir lernten uns im letzten Jahr im Colos Saal in Aschaffenburg, natürlich bei einem Sepultura Konzert, kennen und die Wiedersehensfreude war nach über einem Jahr entsprechend groß. Und auch meine beiden Freunde aus der Sepultura Community Tono Čajka und Philippe Jacquemin kamen den weiten Weg aus Belgien, um Sepultura in Saarbrücken zu sehen und zu treffen.
Fit For An Autopsy und vor allem Goatwhore brachten schon ordentlich Bewegung in die „Garage“ und auch Obscura wurde viel Beifall gezollt.
Sepultura brachten die „Garage“ ruck zuck zum Kochen und machten den Metalheads kräftig Feuer unterm Arsch. Auch wenn die Setlist jeden Abend die gleiche ist, hat man bei den Brasilianern nie das Gefühl, dass sie ein Programm abspulen. Im Gegenteil, sie stellten sich immer neu auf ihre Fans ein und Gitarrengott Mr. Kisser und Derrick Green suchten ständig den Kontakt zum Publikum. Rufe nach „Roots“ wurden schon, wie fast überall, am Anfang der Show laut, doch vorher wurden noch viele Brecher wie z.B. „Desperate Cry“, „Against“, „Inner Self“ oder „Refuse/Resist“ in die Meute gerotzt. Nicht nur die Band, sondern auch die Fans holten bei „Ratamahatta“ und „Roots“ das Letzte aus sich heraus und verwandelten den Laden in ein Tollhaus.
Anschließend traf ich noch Backstage (Gorka und Mr. Kisser, vielen Dank für ALLES, ich werde diesen Abend NIE vergessen) Tono und Philippe, meine verrückten Belgier. Die beiden hatten wieder Geschenke für die Band dabei, u.a. ziemlich geile Sepultura Community Shirts, alles selbst finanziert. Natürlich gab es auch für Gorka und mich ein Shirt. Hut ab was die Jungs auf die Beine stellen, um Sepultura zu unterstützen.
Die vorletzte Station auf dieser Tour war das „LKA Longhorn“ in Stuttgart. Im Einzugsbereich vom Label Nuclear Blast wurde an diesem Abend noch einmal richtig geklotzt. Super Sound und Licht und eine volle Hütte bescherten allen Bands einen verdammt geilen Abend.
Fit For An Autopsy und vor allem Goatwhore heizten dem Laden fett ein und Ben lief, wieder einmal, zu Bestform auf. Der Typ ist im Sitzen mit seinem Klumpfuss fast noch charismatischer als wenn er seine ganze Bewegungsfreiheit zur Verfügung hat. Meine Fresse, sind die Jungs gut!
Bei Sepultura ging vom ersten Ton an voll der Punk ab. Fliegende Haare, Circle Pits, Crowdsurfer – die Stuttgarter Fans liefen zu Hochform auf und Sepultura befeuerten dies mit jedem Song. Bei „Machine Messiah“ schwang Mr. Kissers Guitartech Dante Lucca im Hintergrund wieder die zweite Axt (einfach mal genau hinhören) und das Tempo wurde kurzzeitig gedrosselt und man konnte etwas verschnaufen. Bei „Iceberg Dances“ gönnte sich Derrick eine kurze Pause, um dann umso gewaltiger wieder auf die Bühne zurückzukehren. Schon bei „Arise“ glaubte man sich am Ende seiner Kräfte doch da ging noch was und auch hier wurde „Roots“ wieder zum Rausschmeisser des Abends. Von den Shows in Deutschland war Stuttgart mit Abstand eine der besten, was Sound und Stimmung betraf!
Am nächsten Morgen brach die letzte Etappe unserer Tour an. Mit einem lachenden und einen weinenden Auge machten wir uns auf den Weg nach München. Viel zu schnell ging die Woche vorbei, doch es werden viele geile, vor allem lustige Erinnerungen bleiben.
Die Show im „Backstage Werk“ war nicht ausverkauft. Irgendwie klar, ist München schon fast übersättigt was Konzerte angeht. Jede Band macht Halt in der Landeshauptstadt und man kann sich oft gar nicht entscheiden, welche Shows man besuchen möchte.
Und wie immer kam das Münchner Publikum schwer in die Gänge. Fit For An Autopsy und Goatwhore heizten gewaltig ein und doch gab es nur ein wenig Bewegung in den vorderen Reihen. Und auch mit Obscura taten sich die Bayern schwer.
Erst als Sepultura die Bühne enterten erwachten die Fans aus ihrem Winterschlaf, doch es dauerte fast bis „Territory“ bis Sepultura die Metalheads im Sack hatten. Doch von diesem Augenblick an wurde noch einmal eine fette Metalsause zelebriert und die Brasilianer zerlegten den Schuppen nach allen Regeln der Kunst. „Resistant Parasites“, „Choke“, „Boycott“ oder „Inner Self“ hinterließen fliegende Haare und Circle Pits. Egal ob alte Brecher oder Songs vom neuen Album, die Party lief auf Hochtouren bis auch hier mit „Ratamahatta“ und „Roots“ den Fans der Garaus gemacht wurde.
Auch wenn München meine vorerst letzte Show war und ich wehmütig auf die geniale Woche zurückblickte, so war mein Heimspiel doch etwas ganz besonderes. Mein Lebensgefährte, welcher seit mehr als zwanzig Jahren meine Sepultura Leidenschaft und meine Touren toleriert, schaute sich zum ersten mal ein Sepultura Konzert, als absoluter Nicht-Metal-Fan mit mir gemeinsam an um vielleicht ein Stück der Faszination meinerseits nachvollziehen zu können. Auch wenn er bei Goatwhore fast gestorben wäre (in diesem Fall litt ich mit ihm, auch wenn ich Ben & Co. mittlerweile liebe) konnte er mir zum Abschluss der Tour kein schöneres Geschenk machen.
Ob es noch einen letzten Tourteil geben wird, entscheidet sich kurzfristig, da sich durch eine Erkrankung in der Familie die Prioritäten komplett verschoben haben. Auch wenn ich Sepultura über alles liebe, so gibt es für mich nur „family first“!
(Text: Sandra Baumgartl / Fotos: Gorka Rodrigo + Sandra Baumgartl
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