Seit mehr als zehn Jahren kämpfen die Oldenburger von CRAVING sich nun durch die Szene und haben sich ein völlig eigenes Nest an der Kreuzung zwischen Folk und Melodic Death Metal gebaut. Egal, ob sie mysteriöse Sagengestalten besingen oder einfach mal ihren eigenen Frust in der Musik verarbeiten, jeder Song ist ein kleines Abenteuer für sich und so tackert sich auch ihre neue EP „Wielder Of Storms“ mit seinen vier Hymnen sofort in die Gehörgänge. Kein Wunder, dass wir es uns deshalb nicht entgehen lassen wollten, in die mehr oder weniger düsteren Backstage-Katakomben des Bremener Club Meisenfrei zu steigen und Frontsänger/Songwriter Ivan Chertov abzufangen. Dieser ist übrigens multitaskingfähig und lässt sich trotz Zeitdruck nicht die Laune vermiesen. Und während ein extra angereister Tattookünstler sich um Ivans Bühnen-Make-Up kümmerte, verriet dieser ein paar Details über das nächste Album, warum man manchmal auch wie Manowar klingen darf und – wooohooo, Ladies! – dass er auch wieder auf dem Singlemarkt ist. Bisschen Gossip schadet auch im Metal nicht.
Da die Zeit durch den gewaltigen Stau vor der Show alle etwas in Zeitnot brachte, kommen wir doch gleich zur Sache: Erzähl uns doch mal etwas über eure neue EP!
Ivan Chertov: Letztes Jahr haben wir unser Album „By The Storm“ aufgenommen und befinden uns aktuell noch in den Verhandlungen mit verschiedenen Plattenfirmen und überlegen uns generell, wie wir die Scheibe herausbringen. Aber da wir diese Tour hier schon gebucht hatten, fiel uns ein: Wie brauchen etwas Neues! Man kann ja nicht stumpf auf Tour gehen, ohne eine Neuveröffentlichung im Gepäck zu haben und deshalb entschieden wir uns dazu, zwei Songs von dem Album zu nehmen und noch einmal zwei komplett neue zu schreiben, um daraus eine EP zu schustern. Sie ist auf 500 Stück limitiert und sobald die Exemplare alle weg sind, wird es keinen Nachschub geben – also wer sammelt, sollte schnell zugreifen. Zu dem Titellied der EP „Wielder Of Storm“ haben wir außerdem noch ein Video gedreht, aber das ist recht spontan entstanden.
Eure Liedtexte sind von den unterschiedlichsten Sachen inspiriert, auf eurem letzten Album hattet ihr Songs, die an Game Of Thrones oder Star Wars angelehnt waren, aber ebenso welche, die auf russischen Gedichten basierten. Worum geht es bei den neuen Songs?
Bei dem Titellied geht es um einen Wächter der Welt, der quasi über die Menschheit wacht und Stürme bändigt. Es ist eine Art modernes Märchen. Den Text hat Leo geschrieben und es geht letztendlich darum, dass Menschen immer mehr ihre Umwelt zerstören – und sie das vielleicht endlich mal lassen sollen. ‚Wenn der Wind sich dreht‘, der andere Titel von unserem neuen Album, handelt von einem Schiffsbrüchigen und davon, wie eine Besatzung in einen Sturm gerät und mit ihrem Schicksal hadert – wie die Geschichte ausgeht, will ich natürlich nicht verraten. Und die zwei exklusiven Tracks, die wir nur für diese EP geschrieben haben, ‚Storm I‘ und ‚Storm II‘, handeln ebenfalls von dem Protagonisten des Titeltracks, den Wielder Of Storms – im ersten Teil schließt er seine Ausbildung ab und Nummer 2 ist dann unser Manowar-Titel (lacht). Dort macht der einfach alle Leute platt! Nein, es sind jeweils sehr epische Songs, hinter denen auch immer etwas steckt. In ‚Storm I‘ verarbeite ich beispielsweise meine letzte Trennung – ich bin neuerdings wieder auf dem Markt und die Frauen können jetzt auf mich draufspringen… (lacht)
Okay, das wird Headline des Artikels! Ivan ist wieder Single!
Haha, genau. In dem zweiten Song wollte ich das auch noch einmal aufgreifen, aber da ich mich im ersten schon dermaßen ausgetobt habe, wurde daraus einfach ein… sehr klischeehafter Metalsong über einen Warlord, der andere unterdrückt, aber letztendlich von unserem Protagonisten plattgemacht wird. Die drei anderen Songs sind dann allerdings wieder tiefgängiger und weniger plakativ, keine Sorge!
Wann hast du das erste Mal Musik gemacht, warst du jemand, der schon als Kind in seinen Kassettenrecorder gesungen hat oder kam das erst später?
Als ich ganz klein war, habe ich immer nach Gitarren geschnappt, als wir uns bei Freunden befanden. Das war noch damals in Russland. Aber meine Eltern haben das nicht ganz gecheckt, ich schätze, sie hatten auch einfach andere Probleme… in der Sovietunion gab es eben andere Belange, seien wir mal ehrlich. Aber mit 13 habe ich dann angefangen, selbst Musik zu machen. Meine Schwester hat mir damals die „Americana“ von The Offspring geschenkt und irgendwann war ich ganz stolz, dass ich das ‚Smash‘ Album komplett durchspielen konnte. Zu Maiden bin ich durch Freunde gekommen. Der Vater eines Kumpels hatte mir ein Mixtape mit den ersten vier Iron Maiden Platten zusammengestellt und da ging es dann für mich los! Von Maiden kam ich zu Cannibal Corpse… die Nu Metal Welle hat mich auch nicht verschont, ich finde die ersten Alben von Slipknot immer noch sehr gut… aber die Musik war immer mein Begleiter. CRAVING habe ich letztendlich 2005 gegründet, nachdem es mit meiner ersten Rockband zu Ende ging und sie sich damals sehr unschön getrennt hat. [Zu seinem Make Up Artist:] Du malst mir jetzt aber kein umgedrehtes Kreuz auf die Stirn, oder?!
Ihr hattet so viele Line-Up-Wechsel seit eurer Bandgründung und es muss sich für dich anfühlen, als ob du ein Puzzle immer wieder neu zusammensetzen musst. Woher nimmst du trotzdem die Energie, immer weiter zu machen und dich nicht abschrecken zu lassen?
Man gründet eine Band ja mit einem Ziel und mein Ziel ist es, diese Gruppe immer weiterzuführen. Ich bin so ein „No matter what“-Typ. Man hat die Band gegründet und nun ja… vielleicht kann man von Selbstverwirklichung sprechen… Aber CRAVING ist quasi mein Kind. Ich will, dass es weiter lebt und weiter wächst. Als unser Gitarrist Thorsten gegangen ist, war das durchaus hart. Aber jetzt haben wir zwei neue Leute, die mit literweise Herzblut bei der Sache sind und ich hoffe sehr, dass sie bleiben! Ansonsten… solange ich lebe, besteht auch die Band!
Morgen treten Avantasia beim Eurovision Song Contest auf – wäre das auch etwas, das du durchziehen würdest, wenn die Möglichkeit bestünde oder wäre dir das zu viel Gekasper?
Avantasia beim ESC… hmm… ich bin jetzt kein allzu großer Fan von Herrn Sammet und kenne wenig von Edguy oder Avantasia. Ich bin eher der Ayreon Typ, dieses Progressive Metal Projekt aus den Niederlanden von Arjen Lucassen… aber ich bin offen für alles. Und wenn man mich fragen würde, ob ich mit zum Eurovision komme, würde ich das wohl auch tun.
Viele schreien ja gleich, dass das Ausverkauf sei und völlig gegen den Spirit des Metals, andererseits haben Lordi damals ja auch gewonnen…
Solche Leute haben auch keine Ahnung, wie scher es ist, als Musiker zu überleben. Und wenn du die Gelegenheit hast, solche Chancen an Land zu ziehen, solltest du sie nutzen – natürlich immer im Rahmen, aber das muss jeder für sich selbst entscheiden. Und wenn Avantasia Bock haben, das durchzuziehen, dann sollen sie das machen. Er ist ja schon länger im Geschäft, er weiß, es er tut. Allerdings würde ich mich mal sehr über Blind Guardian beim ESC freuen…
Habt ihr mittlerweile einen eigenen Tourbus für die Daten, die ihr ja nicht nur hier in Deutschland, sondern auch in Belgien und Frankreich spielt?
Schön wär’s, aber leider konnten wir uns nur einen Van ausleihen, mit dem wir jetzt unterwegs sind. Natürlich wäre ein eigener Tourbus supergeil und steht ganz oben auf unserer Wunschliste, aber dafür brauchen wir natürlich erst einmal mehr Geld. Also geht und kauft unser Merchandise! (lacht)
Interview: Anne Catherine Swallow