Eine paradiesischere Umgebung für ein Metal-Festival kann man sich kaum vorstellen, und eine geschichtsträchtigere ebenso wenig. Metaldays in Tolmin/Slowenien wird eingerahmt von Hochgebirge, der nahe Triglav-Nationalpark lädt tagsüber zu allen erdenklichen Outdoor-Aktivitäten ein und der Gebirgsfluss Soca bietet Abkühlung von der Sommerhitze. Ein Beinhaus direkt neben dem Festivalgelände sowie eine Reihe von alten Militärfestungen legen indes trauriges Zeugnis ab von einem jahrelangen Blutbad. Hier nämlich haben sich einige der heftigsten Gebirgsschlachten des Ersten Weltkriegs zugetragen, in denen Österreich/Ungarn und Italien erbittert um jeden Fuß Boden und jeden noch so unbedeutenden Fels gekämpft haben. Ein Fanal menschlichen Wahnsinns, das die Region noch heute prägt.
Pommesgabelalarm in TolminDoch in jener Region feiern heute Menschen aus ganz Europa friedlich miteinander und gehen gemeinsam ihren Leidenschaften nach: Party und Heavy Metal. Seine Umgebung macht das Metaldays Festival zu etwas einzigartigem – einer Verknüpfung von Festival mit Urlaub.
Zu hunderten pilgern die Metalheads mit den bizarrsten Schwimmtieren zu den drei Einstiegen in die Soca und lassen sich von dem sanften, aber brachial kalten Fluss hinunter treiben zum Festivalgelände. Dort warten am Strand bereits Mucke, kühle Cocktails und jede Menge schwarzer (mit T-Shirt) oder schneeweißer (ohne T-Shirt) Menschen. Nach einem kurzen Anstieg erreicht man die im Wald gelegene zweite Bühne. Also Schwimmviech ablegen und zu guter Musik die noch tropfende Mähne schwingen. So muss es sein!
Und gute Mucke gab es reichlich, auch wenn am Montag und Dienstag schwere Gewitterstürme mit anschließenden Regenphasen einen kleinen Strich durch die Rechnung machten. 2017, zum fünfjährigen Bestehen unter dem Namen Metaldays (24.-28.7.), hatte der Veranstalter eine dritte Bühne eingeführt – die bei einem der Stürme so in Mitleidenschaft gezogen wurde, dass dort einen Tag lang keine Newcomer-Bands mehr auftreten konnten.
Doch von den Wetterunbilden ließen sich die Metalheads die gute Laune nicht verderben, auch wenn dabei in großer Zahl Pavillions zerschreddert, Zelte schwer beschädigt und der Campground aufgeweicht worden waren.
Der musikalische Mix deckte wie jedes Jahr eine riesige Bandbreite ab – vom eingängigen Siebzigerjahre-Hardrock bis hin zum ultrafiesen Black Metal waren alle Hard’n’Heavy-Stile vertreten. Wie immer war also für jeden etwas dabei.
Den Reigen der Großen eröffneten am Montag die alten Power-Metal-Recken von Loudness, die wegen Sturmschäden an der Bühne auf die Second Stage ausweichen mussten. Und gerade zum Trotz ließen es die altgedienten Japaner krachen als gäbe es kein Morgen mehr. So als gälte es, die Genre-Matadoren von Iced Earth, die mit Überschneidung auf der Hauptbühne auftraten, von der benachbarten Stage zu fegen. Die Amerikaner begeisterten indes mit einem kraftvollen Auftritt und einem Mix aus älterem Material a la „Dark Saga“ und „Watching Over Me“ und Songs der brandneuen Scheibe „Incorruptible“. Wer nach dem mäßigen Set eines sichtlich zugedröhnten und im Stile einer billigen Hafennutte geschminkten Marilyn Manson noch nicht genug hatte, musste allerdings bis 1:40 Uhr warten, um sich von Venom Inc. feinen Old-School-Black-Metal um die Ohren fetzen zu lassen.
Amon AmarthDüster war es nicht nur, nachdem am Dienstag wieder ein fieses Unwetter über das Festival hinweg fegte. Auch musikalisch kehrte mit den schwedischen Dark Metallern Katatonia Düsternis ein. Ein ordentlicher Gig, der allerdings nicht so richtig zwischen die wirbelnden Thrasher von Sanctuary und den dann folgenden Headliner Amon Amarth passen wollte. Deren Bühnenshow begeisterte ebenso wie die krachende Viking-Metal-Performance. Eine beeindruckende Pyro-Show wurde ergänzt durch wechselnde Bühnenhintergründe, Schwertkämpfe, einen zu erlegenden Seedrachen, funkensprühende Warhammer, ein großes Trinkhorn, etc. pp. Dreschen von Klischees? Mag sein, aber es passt zu den Schweden wie zu kaum einer anderen Band – und macht einfach Spaß beim Zuschauen.
Wenn vermeintlich erwachsene Menschen mit Toilettenpapier, Campingtoiletten und mit Nutella beschmierten Klobürsten Richtung Bühne ziehen, ist Gutalax nicht weit. Bei der tschechischen Grindcore-Formation ging es am Mittwoch um Verdauung in jeder Form und Viskosität. Die fantasielosen weißen Maleranzüge und die Gasmasken ließen die Musiker aussehen wie Minions auf Crack, die ultrabillige Mucke passte dazu wie die Diarrhoe in den sprichwörtlichen Eimer. Einerlei, die Fans liebten es, warfen ihre Klorollen und reckten die Nutella-Bürsten in die Höhe. Etwas ernsthafter wurde es, als Olve Eikemo, besser bekannt unter dem Namen Abbath, und seine Mannen in feinstem Corpse Paint die Bühne enterten. Mit viel Energie rammte der Ex-Frontmann der Formation Immortal noch feineren Black Metal in die Gehörgänge des Publikums. Am Ende des Sets stürmte der Norweger gar die Böschung neben der Bühne hinauf – und legte sich beim Rückweg samt Klampfe unsanft lang, blieb trotz Salto Mortale aber unverletzt. Eine weitere krachende Death-Performance lieferten die (Anglo-)Schweden Bloodbath ab, als auf der Second Stage gerade die Ruhrpottrecken von Grave Digger in die Saiten hauten und wie immer einen sauberen Heavy Metal Breakdown ablieferten. Headliner des Abends war Metal-Queen Doro. Die Düsseldorferin riss das Publikum mit neuerem Material a la „Raise Your Fist“, alten Warlock-Krachern und freilich der Ballade „Für Immer“ mit.
In die Jahre gekommen aber noch lange kein Alteisen: Raven legte am Donnerstag die Nebenbühne in Schutt und Asche. Bömbers, Abbaths Motörhead Tribute Band, räumte darauf noch die letzten Trümmer weg. Auf der Hauptbühne belebten die Blues Pills mit eingängigem Retro-Rock die Siebziger Jahre wieder, bevor die progressiven Opeth einen dichten Klangteppich über die Hauptbühne legten.
Trotz der sengenden Hitze entschädigte das Power-Metal-Trio Grand Magus seine Fans am Freitag für die teilweise grottigen Darbietungen im Vorprogramm von Amon Amarth anfangs des Jahres. Als wahrer Publikumsmagnet und Pagan-Metal-Partykracher entpuppte sich die deutsche Band Equilibrium. Riesige Moshpits und Walls of Death sorgten für Stimmung, die gute Laune der Band trug das Ihre dazu bei. Als Headliner des letzten Festivaltags mischten die Thüringer Metalcore-Götter Heaven Shall Burn die Menge auf. Es war pure Kraft, die da von der Bühne strömte. Und die war einmal mehr mit viel Liebe zum Detail gestaltet: im Stile einer großen, Science-Fiction-angehauchten Industrieanlage, der „Heaven Shall Burn AG“. Und als dann das Festival fast schon vorbei war, folgte mit den Bay-Area-Thrash-Veteranen Death Angel mitten in der Nacht noch ein Leckerbissen, der ohne weiteres einer der Headliner hätte sein können. Als sei es ein Protest gegen die üble Platzierung in der Running Order gaben die Amerikaner alles und ließen beim Publikum die Mähnen fliegen.
So gingen die Metaldays 2017 mit einem echten Highlight zu Ende – abermals ein Festival wie kein anderes in Europa. Dabei ist allerdings beileibe nicht alles Gold, was glänzt (mehr dazu in unserem Kommentar zu den MD 2017). Dennoch sind sich die meisten sicher dass sie wiederkommen, wenn 2018 die Berge wieder aus Schwermetall bestehen.
Text: Thomas Mendle