Zwei Tage vor Halloween kann man sich eigentlich keinen geeigneteren Gesprächspartner an Land ziehen, als Geistermeister Dani Filth. Der unvergleichliche Schreier aus Ipswich scheint zwischen seinen Sessions mit DEVILMENT und den legendären CRADLE OF FILTH zwar niemals zu schlafen, entpuppt sich dafür aber wieder als herrlicher Gesprächspartner mit spukigen Anekdoten und trockenem britischen Humor. Die Scheibe „II – The Mephisto Waltzes“ seiner Zweitband DEVILMENT erblickt am 18. November das kaum existente Licht des Herbstes, aber liefert erneut eine grandiose Mischung aus groovigen Gitarren, eingängigen Refrains, überraschend modernem Flair und natürlich den unverkennbaren Vocals – auch wenn auf dieser Scheibe auch Keyboarderin Lauren Francis ganz vorne mittanzt, wenn es um starken Gesang geht. Wir sprachen mit Dani über sein neues Album, gruselige Erlebnisse in Hotels, seine Pläne mit CRADLE OF FILTH und seine Liebe zu HD Fernsehen:
Sound Infection: Vor nur zwei Stunden habt ihr euer offizielles Musikvideo „Hitchcock Blonde“ veröffentlicht, das angeblich in einem Spukhotel gedreht wurde. Wie viele Geister haben euch während der Dreharbeiten heimgesucht?
Dani Filth: Es gab da tatsächlich einen, der einfach keine Ruhe geben wollte und ich erzähle da keine Märchen: Das Hotel befand sich direkt im Zentrum von Ipswich, meiner Heimatstadt, und ist sehr bekannt und elegant gewesen – Lord Nelson hat dort einst übernachtet und es war bis vor zwanzig Jahren noch in Betrieb. Als wir dort filmten war Hochsommer, die heißesten Tage des Jahres, dennoch war es sehr kühl darin, viele wirre Korridore, in denen man sich schnell verlaufen konnte. Ich liebe solche Gebäude, würde aber ehrlich gesagt keine Nacht darin verbringen wollen. Es sah gar nicht so alt aus, da es noch modernisiert worden war, aber es roch seltsam und war einfach kein sehr vertrauenserweckender Ort. Als uns in einer Drehpause dann langweilig wurde, zückten wir unsere Handys, um zu sehen, ob es tatsächlich irgendwelche Legenden über diesen Ort gibt und scheinbar soll es dort den Geist einer Frau geben, der insbesondere das Zimmer 305 immer wieder heimsucht. Sie hatte einst dort gearbeitet, aber als ein Feuer ausbrach, ist sie in dem Raum verbrannt – das Zimmer mussten wir natürlich erst einmal aufsuchen, weil es heißt, dass sie darin spukt und man ihr Gesicht häufiger durch das Fenster blicken sieht oder Möbel verrückt werden. Nun ja, jedenfalls drehten wir in der Etage darunter, dem Trafalgar Room, dann unsere Szenen und dort begann es plötzlich – Colins Telefon spielte verrückt, es blinkte, spielte irgendeinen Blödsinn ab und Colin wurde richtig pissig und warf es durch den Raum, nachdem es ihm sogar einen Elektroschock versetzt hatte, da es brandneu war und eigentlich keine Sperenzchen machen sollte. Das war schon seltsam – wir beschlossen sicherheitshalber für den Rest des Tages freundlich zu dem Geist zu sein…
Zumindest schimmerten keine seltsamen Gesichter durch das Bild bei dem fertigen Video…
Doch schon, aber bloß unsere eigenen (lacht)
Ihr habt auf diesem Album nicht mehr denselben Hauptsongwriter, wie auf dem ersten, trotzdem ist der Sound sehr ähnlich geblieben und ihr habt euch weiterentwickelt, ohne jedoch zu stark von euren Wurzeln abzuweichen – wie hat das geklappt und wie sah diesmal das Songwriting aus? Insbesondere da ihr vermutlich wenig Zeit hattet…
Doch doch, wir hatten allerhand Zeit, da ich auch schon zur Hälfte damit durch bin, die Liedtexte für das neue Cradle Of Filth Album zu schreiben. Aktuell stehen wir bei etwa 85% wenn es um die Vervollständigung der neuen Cradle Scheibe geht und Martin wird am Ende des Jahres ins Studio hüpfen und die ersten Drumparts aufnehmen. Im Mai wird das Album dann fertig sein und im September veröffentlichen wir es. Zeitgleich startet auch unsere Welttournee. Das wäre jedenfalls der Plan. Aber ich schweife schon wieder völlig ab… Ich wollte nur unterstreichen, dass mein Arbeitsplan so eine Art Schneekugel ist: Wenn das Devilment Album fertig ist, beginne ich mit dem Cradle Album und immer so weiter und so fort. Ich arbeite nun einmal gern und demnach auch so viel ich kann. Auch wenn es mit Devilment nicht immer einfach war – wir hatten seit dem ersten Album ja ein paar Line Up Wechsel. Aaron, unserer früherer Drummer, kam zu uns und sagte „Hey, ich hab einen neuen Jobs, gerade ein Haus gekauft, verlasse meine jetzige Freundin und ziehe wieder bei der vorherigen ein, blahblahblah…“, jedenfalls hatte er nicht mehr genügend Zeit für die Band und schlug deshalb einen neuen Schlagzeuger vor – aber wir spielen immer noch jeden Mittwoch Fußball zusammen, also herrscht da kein böses Blut zwischen uns. Ich glaube, ich schweife schon wieder ab. Lauren und Colin fühlten sich auf dem ersten Album noch ein bisschen ausgeschlossen. Sie stießen dazu, als die Songs schon fast fertiggeschrieben waren, doch diesmal banden wir sie von Anfang an ein. Wir versuchten uns auf die besten Elemente des ersten Albums zu konzentrieren und diese auch auf dem zweiten wieder durchschimmern zu lassen – so, dass wir uns zwar weiterentwickeln, aber niemanden verschrecken. Aber wir spielten wieder stark mit den Female Vocals, legten wert auf starke Melodien und eingängige Refrains. Teilweise haben wir die Songs sogar regelrecht zerschnitten, neu zusammengesetzt und jede kleine Schwäche eliminiert.
Ich war ein wenig überrascht, dass ihr „The Mephisto Waltzes“ als Titel gewählt habt, da Mephisto doch eher ein Charakter ist, den ich bei Cradle Of Filth erwarten würde. Aber ich gehe davon aus, dass es auch eine Hommage an Franz Liszt sein soll – aber warum?
Wir hatten das Albumcover bevor wir einen Titel wussten. Und wenn du dir die Frau darauf ansieht, wirkt es, als würde sie einen exotischen Todestanz aufführen. Mir sprangen die Walzer ins Gedächtnis und dementsprechend auch Franz Liszt und daraufhin die Geschichte von Faust. Die Combo gefiel mir, da es somit wirkte, als wäre jeder Song des Album Teil eines Theaterstücks, einer Tanzaufführung. Und die „II“ haben wir noch hinzugefügt, um herauszuheben, dass Devilment eben keine simple Eintagsfliege ist, kein Sideprojekt von mir, das sofort wieder zu den Akten gelegt wurde – es ist eben das zweite Album. Außerdem bin ich ein großer Danzig Fan und bekanntlich hatte Danzig mit den Misfits einen Song namens „The Mephisto Waltz“ und daraus gab es einen 70er Horrorfilm und oh Mann, letztendlich kam alles zusammen und ich denke, das gab genügend Gründe, um das Album so zu nennen (lacht)
Ihr habt außerdem zwei Bonustracks, einer davon heißt „The Seductive Poison“ und setzt sich anscheinend mit den Gefahren des Alkohols auseinander, wenn ich das richtig verstanden habe? Ich schätze, du hattest in deinem Leben viele Rock’n’Roll-Momente, gleichzeitig bist du mittlerweile Vater einer Teenagertochter, sodass ich mir schon die Frage stellte: Wenn es um Alkohol geht – predigst du dann gern mit erhobenem Finger?
Nein, nicht wirklich. Mittlerweile habe ich auch wieder meine Alkoholpause und habe 4 Wochen lang nichts getrunken. Ich erteile mir häufiger solche Auszeiten und hatte letztes Jahr auch fast 6 Monate am Stück nichts getrunken. Auch jetzt für die Devilment-Tour möchte ich nichts trinken, um fit zu bleiben. Aber ich predige nicht und auch auf dem Song ist es alles ganz neutral zu betrachten – ich glorifiziere nichts, rede es aber auch nicht schlecht, es ist einfach nur ein Lied über Alkohol.
Siehst du die Möglichkeit für eine Doppeltour von Cradle UND Devilment?
Vermutlich eher nicht, wenn du so einen Spaß sieben Wochen lang durchziehen musst, macht der Körper es irgendwann nicht mehr mit. Auf der letzten Cradle Tour spielten wir gut eine Stunde und 50 Minuten und dabei kamen wir schon manchmal an unsere Grenzen. Außerdem wäre es logistisch nicht so einfach, wir bräuchten noch eine dritte Band, die dann zwischen Devilment und Cradle spielt, damit ich Zeit habe mich umzuziehen und ein bisschen Luft zu schnappen. Wir machten es ein mal beim Graspop letztes Jahr, aber da waren 6 Stunden zwischen der Show, das war kein Problem. King Diamond hat es mal probiert, aber nach der Hälfte der Tour aufgegeben und das möchte ich nicht riskieren.
Obwohl du einen so vollgestopften Terminkalender hast, scheinst du dennoch Zeit zu finden, dich mit Literatur, Filmen und historischer Recherche auseinanderzusetzen – als Mensch, der um 19 Uhr auf dem Sofa einschläft und nicht mehr wach wird, frage ich mich schon, wie du das schaffst…
Für das neue Cradle Album lese ich viel viktorianischen Gothic Horror aus dem 19. Jahrhundert, Arthur Conan Doyle und so, aber ich lese nicht zwangsläufig die kompletten Bücher, sondern horche oftmals nur herein, um die Fantasie anzuregen und in diesen gedanklichen Rahmen zu kommen. Ich suchte etwas, das zu der Musik passt, die wir schon haben – sie ist sehr schnell, voller Details und epischen Chören, gruselig… wie eine Mischung aus der letzten Platte und „Cruelty And The Beast“ mit vielen heavy Gitarrenriffs. Deshalb musste ich mich einfach ein bisschen in dieses Viktorianische einlesen, um das Feeling und die Sprache aufzugreifen.
Wie hat der Brexit dich bisher beeinflusst?
Kürzlich flog ich nach Spanien und tauschte also meine britischen Pfund in Euro und dachte auch nur „Oh shit…“ – ich bekam weit weniger als noch vor 6 Monaten. Aber ich gehe fast davon aus, dass es noch eine zweite Wahl geben wird, einfach weil es scheint, als hätten die Wähler überhaupt keine Ahnung von dem Thema gehabt und einfach wild Kreuzchen gemacht, ohne die Konsequenzen zu kennen. Und für uns wäre es natürlich fürchterlich, wenn wir anfangen müssten, für jedes EU-Land auf Tour Zollgebühren zu zahlen und Einwanderungsblahblah… viel Bürokratie für eine Show. Das wäre schon sehr bitter. Aber ich denke, so weit wird es nicht kommen. Die Leute haben sich einfach nur blind von ihrer Angst und ihren Vorurteilen leiten lassen, anders kann ich mir den Brexit nicht erklären.
Wie stehst du generell der Welt gegenüber? Denkst du, dass die Menschheit sich positiv entwickelt oder glaubst du eher, dass wir sehr bald auf unser aller Ende zusteuern?
Ich versuche, nicht darüber nachzudenken. Wenn wir zwischen Putin und Trump sitzen, schaut es nicht ganz so rosig aus. Dazu kommt die Überbevölkerung und die Erde wird sich bald dagegen wehren. Die Natur findet immer einen Weg um die Herde auszudünnen, deshalb gehe ich davon aus, dass wir nicht allzu weit entfernt von einem schweren Umweltdesaster stehen. Auf der anderen Seite muss man sagen, dass die Technologie langsam wirklich beeindruckende Fortschritte macht…
Du meinst auf der medizinischen Ebene…?
Nö, ich meinte eher HD-Fernsehen und so, haha.
Komm schon, du wirkst aber nicht wie jemand, der den ganzen Tag vor der Glotze hängt.
Nein, das nicht. Aber ich schaue gern Filme. Horrorfilme… naja… nein, heutzutage steckt keiner mehr Geld in Horrorfilme und deshalb sind sie meist billig produziert und ziemlich albern. Aber ich mag die neuen Superheldenserien und -filme. Gotham, Daredevil, das ist ziemlich cool. Außerdem gehe ich ungefähr ein mal in der Woche ins Kino. „The Girl With All The Gifts“ war sehr cool, aber ansonsten fallen mir wenige Filme ein, die ich empfehlen würde.“It Follows“ oder „The Witch“ waren ganz gut. Aber der neue Rob Zombie soll ziemlich beschissen sein, habe ich gehört…
Wirklich? Na toll, erbaulich… Okay, um zu einem positiven Ende zu kommen: Wir feierst du Weihnachten – falls überhaupt?
So ziemlich wie jeder andere auch. Wir lieben Weihnachten. Meine Schwester ist gerade nach Singapur gezogen und ich freue mich, wenn sie über Weihnachten zurückkommt – auch meine andere Schwester und mein Bruder kommen aus London vorbei und das wird ein ganz traditionelles Fest mit viel Gefuttere und Familie und Lichtern. Völlig unmetal.
Das klingt doch super – dann bedanke ich mich herzlich und die letzten Worte gehören dir!
Oh ja… also wir haben gerade das neue ‚Hitchcock Blonde‘ Video veröffentlicht und eine Woche vor Albumrelease kommt ein weiteres Video heraus, das animiert ist und total verrückt wird. Ich denke, die bisher veröffentlichten Songs geben dann auch einen guten Überblick über das, was das Album kann. Schaut bei unseren offiziellen Facebookseiten und gern auch der großen Fangruppe bei Facebook rein, dort findet Ihr alles alles alles, was Ihr wissen wollt. Social Media ist doch auch eine sehr praktische Sache, oder?
Dann schaut doch mal hier vorbei:
www.facebook.de/devilmentcorps
www.facebook.de/cradleoffilth
www.facebook.de/mrfilthofficial
Interview + Text: Anne Catherine Swallow