CHILDREN OF BODOM sind nicht unbedingt für ihre ausschweifenden Interviewantworten bekannt und gerade Janne Wirman zählte noch nie zu den führenden Labertaschen, trotzdem zeigte sich der finnische Keyboardmassakrierer als gutgelaunter Zeitgenosse während seines Interviewmarathons und lieferte knackigkurze Antworten, die aber mit erstaunlich viel Gelächter gespickt waren. Sind halt doch kleine Partygesellen, die finnischen Melodic Death Pioniere, die auch auf ihrem neuen Album „I Worship Chaos“ wieder phänomenalen Speed vorlegen, aber gleichzeitig auch eine so düstere Atmosphäre kreieren, wie man sie von den Herren sonst nicht gewohnt ist.
Hi Janne, schön, dich mal wieder zu sprechen! Euer „Morrigan“ knallt in typischer Bodom-Manier und ich fand spannend, dass ihr ausgerechnet die keltische Göttin des Krieges für den Song ausgewählt habt. Auch wenn du nicht selbst als Textschreiber fungierst, würde mich interessieren, ob du irgendeine Verbindung zu Übernatürlichem oder düsteren Mythen hast?
Janne Wirman: Wie du schon sagtest, bin ich nicht derjenige, der sich die Themen für die Songs aussucht, aber ich habe vorhin bei in einem Interview von Alexi mitgehört, als er erzählte, dass er in der Tat eine Faszination für Magie und all diesen düsteren Kram hat. Ich persönlich habe aber überhaupt keine Verbindung dazu, ich schaue zwar gern Filme über Geister oder Aliens im Fernsehen, da hört es aber auch schon auf.
In einem der Albumtrailer findet sich eine Stelle, in der Alexi erzählt, ihr würdet alle zusammen in eurem Proberaum übernachten – wie chaotisch darf man sich das vorstellen?
Haha, nein, nur Alexi selbst hat dort gewohnt. Aber er wollte keinerlei Ablenkung von außen und 110% für das Album arbeiten, sodass er es für die beste Idee hielt, einfach dort zu pennen. Wir anderen waren eher gemäßigter und schliefen brav Zuhause.
Kein kollektives Bandcamping? Schade – aber wo wir schon bei Camping sind: Hast du mal oder würdest du jemals eine Nacht am Lake Bodom verbringen?
Oh, das ist eine witzige Sache… als ich 15 oder 16 Jahre alt war, ging ich dort regelmäßig mit meinen Freunden campen und umso bizarrer fühlte es sich dann später an, einer Band beizutreten, deren Name auf diesen Mordgeschichten beruht. Aber als Teenager war ich da völlig schmerzfrei, wir kannten die Horrorstory natürlich und stellten deshalb allein aus Prinzip immer unser Zelt an der Stelle auf, an der der Mord geschah. Aber keine Sorge, ich habe dort niemals kleine Sensenmänner oder ähnliches herumkriechen sehen – naja, es war die Zeit, in der wir anfingen, uns volllaufen zu lassen und wir zogen uns dort an den See zurück, in der Hoffnung, dass unsere Eltern unsere Saufgelage nicht mitkriegen, deshalb passierten natürlich schon einige lustige Sachen damals. Einmal fiel ich mitsamt meiner Kleider in den See hinein, aber neben mir hat niemals einer mit dem Messer herumgewedelt und übernatürliche Erlebnisse hatte ich natürlich auch nicht, keine Sorge.
Wie schwer ist es denn mittlerweile für euch, auf jedem Album [außer „Relentless Reckless Forever“] einen Song mit ‚Bodom‘ im Namen zu finden?
Schwer ist es eigentlich nicht. Es war mehr ein Unfall, dass das vorletzte Album keinen Bodom-Song auf der Tracklist hatte. Als wir alles beisammen und fertig aufgenommen hatten, stand Alexi plötzlich ganz irritiert vor uns und meinte „Fuck, wir haben einen Bodom-Song vergessen“, schließlich ist es eins unserer Markenzeichen. Aber da war es schon zu spät.
Wie sieht es diesmal bei „My Bodom (I Am The Only One)“, hat der Liedtext noch einen direkten Bezug zu den Morden oder habt ihr euch im Prinzip nur den Namen geborgt?
Um ehrlich zu sein habe ich keine Ahnung, ich kenne den Text genauso wenig, aber es ist ein fantastischer Song, ich liebe, was Alexi uns da zusammengebaut hat!
Nachdem Roope ausgestiegen war, habt ihr euch deinen Bruder Antti an die Gitarre geholt für die Tour, aber auf dem Album ist er nicht vertreten – weshalb?
Das Album wurde geschrieben, als Roope noch Teil der Crew war und als es dann auseinander ging, wurde uns schnell klar, dass es die schnellste und einfachste Lösung für uns sei, wenn Alexi einfach alle Gitarrenparts selbst einspielt. Relativ zeitgleich hatten wir schon Antti gefragt, ob er bei den Livedates dabei ist, aber wir wollten ihm genügend Zeit geben, die Songs zu lernen und auch generell würde ich sagen, dass er nur eine vorübergehende Lösung ist. Er wird uns dieses Jahr noch bei den Shows unterstützen, aber ab kommendem Januar werden wir definitiv ein neues Bandmitglied vorstellen, weil Antti zurück in seinen normalen Alltag möchte. Aber momentan befinden wir uns noch im Prozess ein neues Mitglied zu finden, wir hatten Proben und Vorstellungen von anderen Gitarristen und diskutieren jetzt, wen wir letztendlich in die Hatecrew holen.
Euer Albumcover hat einen sehr postapokalyptischen Flair diesmal – warum gerade dieses Setting und kannst du dir vorstellen, dass die Welt tatsächlich in naher Zukunft so ähnlich aussehen wird oder bist du da eher optimistisch?
Ja, du hast recht, das Bild soll Lake Bodom darstellen, wenn er ausgetrocknet ist und die Bäume darum alle abgestorben sind. Und ich glaube, in der Realität wird das nicht viel anders sein, die menschliche Rasse ist so dumm, dass sie sowieso bald alle natürlichen Ressourcen aufgebraucht oder zerstört hat und deshalb denke ich, dass es mit der Welt doch sehr bald zu Ende geht, vielleicht innerhalb der nächsten hundert Jahre.
Warum hat der eine Baum auf dem Cover ein Kreuz eingeritzt?
Oh shit (lacht). Da gab es eine Story, ich bin mir ganz sicher… aber ich habe sie vergessen. Ich weiß, dass der Sensenmann den Baum markiert hat, warum, kann ich aber nicht mehr sagen, oh Mann!
Mist – ich weiß, dass es in einem der Trailer zur Sprache kam, aber leider habe ich es nicht verstanden und hoffte, dass du es vielleicht besser erklären kannst, haha. Egal – da ihr Jungs mit der Scheibe das „Chaos anbetet“, wer ist von euch der Chaotischste im Tourbus?
Alexi ist der Chaotischste, in jederlei Hinsicht. Sein ganzes Leben ist ein Chaos, ich habe keine Ahnung, wie er damit umgeht. Gelegentlich räumen wir hinter ihm auf, aber manchmal hat er sogar extra Leute angeheuert, die nur dazu da sind, sein Chaos am Ende zu beseitigen.
Dein Keyboardsound ist unverkennbar und erinnert stark an den Soundtrack zu Horrorfilmen, also ganz simpel gefragt: Was ist dein liebster Horrorfilm?
Oh, das ist schwer. Ich würde mit einem Klassiker gehen sagen „The Shining“ – in Los Angeles war ich mal in einer Art Ausstellung, die Artefakte aus dem Film präsentierte – die Axt, die Schreibmaschine sogar noch mit dem Papier – und das hat mich wirklich umgehauen. Ich musste mir den Film gleich noch einmal anschauen und bemerkte da erst, wie großartig er eigentlich ist.
So eine Ausstellung habe ich mal für Harry Potter gesehen…
Wirklich? Oh Gott, mit Harry Potter kann ich gar nichts anfangen. Allerdings habe ich auch keins der Bücher gelesen oder jemals die Filme geschaut, deshalb darf ich da nicht mitreden. Ich lese generell sehr wenig, höchstens Fachbücher über Musikproduktion oder Autos, ich bin eher ein Techniknerd, als dass ich mich für Literatur interessiere. In Bedienungsanleitungen kann ich mich hingegen stundenlang vertiefen…
Dann heuer ich dich mal für meinen TÜV im Winter an… Wenn du eine Kiste im Wald verbuddeln müsstest, bei der es darum geht, dass ihr Inhalt den Spirit von Children of Bodom für die Nachwelt einfängt, was würdest du hineinpacken?
Haha, du kennst doch sicher die Humppa-Band Eläkeläiset, oder? Die machen regelmäßig Schnitzeljagden für ihre Fans und verstecken immer Flaschen mit Alk aller Art in den Wäldern, wenn sie in Deutschland touren. Dann stellen sie Schatzkarten online und Fans rennen los und versuchen, den Alkohol zu finden. Genau so etwas würde ich auch für uns machen wollen, denn wenn es darum geht, was ich als Erbe hinterlassen möchte, kann ich nur sagen: Eine Pulle mit billigem finnischen Wodka! Ja, verdammt, das klingt gut!
Was ist denn dementsprechend der Drink, den du Fans empfehlen würdest, wenn sie eine alkoholische Untermalung für den ersten Hördurchlauf eures neuen Albums suchen?
Wir haben in Finnland so eine Art Nationalgetränk, das aus Soda und Wodka besteht – das wäre meine erste Wahl, wenn es darum geht, sich zu entspannen und eine Scheibe zu hören. Es ist leicht verträglich und nicht so süß wie viele anderen Sachen, denn wenn du dir so oft die Rübe volllaufen lässt, wie ich, dann kannst du nichts mit Zucker trinken. Kein Lonkero oder so. Ich würde längst 200 Kilo wiegen! Deshalb würde ich das jedem empfehlen. Aber wir trinken auch nicht mehr so viel wie früher – nach einer tollen Show musst du aber einfach saufen, weil mit all dem Adrenalin kannst du kein Buch lesen. Niemals! Und deshalb trinkst du dich eben müde. Früher, in den verrückten Zeiten, haben Alexi und ich regelmäßig bis 6 oder sogar 9 Uhr morgens gebechert und sind dann erst schlafen gegangen, tja, aber das ist mittlerweile nicht mehr drin. Ein bisschen alt wird man eben doch.
Gab es denn für dich jemals Zeiten, in denen du keine Lust mehr auf das Bandleben hattest und dir überlegt hast, in einen Alltag völlig ohne Musik und Touren zurückzukehren?
Auch wenn es oftmals anstrengend ist – nein, eher nicht. Ich tue es ja, weil es mir Spaß macht, wenn es das nicht täte, hätte ich mir längst einen normalen Job gesucht. Früher wollte ich Architekt werden, weil ich gern zeichne, aber natürlich müsste ich dafür jahrelang studieren und dann war mir die Musik doch einfach wichtiger.
Bei euren Castingshows im hohen Norden wie „The Voice Of Finland“ habt ihr einige Metalgrößen wie Tarja Turunen in der Jury sitzen. Könntest du dir denn vorstellen, in solch einer Jury mitzuwerkeln und jungen Talenten „Ratschläge“ zu geben?
Nein! Nein nein, keinesfalls, ich finde diese Shows schrecklich und sie werden mit der Zeit immer niveauloser. So doof es klingt, in Finnland gibt es nicht genügend Leute mit Talent, um solch eine Show glaubwürdig zu füllen, deshalb sind diese „Idols“ oder „Voice“-Shows eine reine Lachnummer geworden. Aber sie ziehen es weiter durch und killen damit die gesamte Musikindustrie, jedes Jahr bringen sie neue „Superstars“ in die Welt und jedes Jahr schnellen diese lächerlichen Songs wieder an die Chartspitze – ich kann mir das nicht einmal anschauen! Ich will nicht behaupten, dass die Gewinner talentfrei sind, das nicht, aber diese ganze Aufmachung der Shows… boah, das ist pures Fremdschämen. Außerdem ficken die Plattenfirmen sich damit doch nur selbst, sie erzeugen Use-Once-And-Destroy-Künstler, denn nach zwei Jahren weiß kein Schwein mehr, wer damals so einen Wettbewerb gewonnen hat. Es kommt einfach der nächste und nächste und die Musik ist ebenso austauschbar. Das ist einfach traurig!
Gar nicht traurig ist allerdings, was CHILDREN OF BODOM am 2. Oktober in die Welt hinausjagen, denn der Sensenmann tobt wieder – wer sich „I Worship Chaos“ also direkt nach Hause bestellen will, kann das bei Nuclear Blast tun! Außerdem tourt die Hatecrew ab November auch mit ihren Labelkollegen LAMB OF GOD durch Deutschland und verspricht blutige Whiskeyabende im alten Herbst.
Interview: Anne Catherine Swallow