Budapest, die ungarische Hauptstadt, ist immer eine Reise wert. Und so hatte ich mir für diesen Besuch zwei zusätzliche Tage eingeplant. Es war nicht mein erster Aufenthalt in der Stadt und wird mit Sicherheit auch nicht der letzte gewesen sein.
Mein Hotel befand sich etwas außerhalb des Zentrums, direkt an der Donau. Dank überpünktlichem und funktionierendem Nahverkehr brachte mich der Vorstadtzug und die Tram Nr. 2 innerhalb von 20 Min. ins Herz der Stadt.
Die Kettenbrücke aus dem 19. Jahrhundert verbindet das hügelige Buda-Viertel mit dem flachen Pest. Die Nostalgie-Seilbahn fährt auf den Burghügel bis in Budas Altstadt. Sehenswert sind die Fischerbastei, der Burgpalast und die Matthiaskirche. Gegenüber am anderen Donauufer liegt das beeindruckende Parlamentsgebäude und auch die große Markthalle ist immer einen Besuch wert.
SEPULTURA habe ich 2018 das letzte Mal in Budapest erleben dürfen, damals noch im Club vom Barba Negra. Ein sehr geiler Schuppen mit toller Atmosphäre. Auf der aktuellen Tour wurden größere Hallen gebucht und somit fand das Konzert in der „Red Stage“ statt.
Bereits eine Stunde vor Einlass lungerte schon eine beträchtliche Anzahl von Metalheads vor dem Konzertgelände herum. So diszipliniert und höflich die ungarischen Fans beim Einlass waren, gingen diese während des Konzerts umso mehr ab.
Schon bei JESUS PIECE gab es einiges an Bewegung in der Meute und OBITUARY wurden frenetisch abgefeiert. Bei JINJER hielt sich die Begeisterung in Grenzen, wobei die Ukrainer in Budapest von den osteuropäischen Fans noch den meisten Zuspruch erhielten.
SEPULTURA hatten kaum die Bühne betreten und die „Red Stage“ schien zu explodieren. Vom ersten Song „Refuse/Resist“ bis zum letzten Ton von „Roots“ feierten die Magyaren die Metalparty des Jahres. Crowdsurfer flogen im Akkord in den Graben und im Moshpit ging es heftig zur Sache. Die Band war schwer beeindruckt von der Energie in der Halle und bedankte sich ausgiebig für diese grandiose Show.
80 km westnordwestlich von Krakau, im Oberschlesischen Industrierevier, lag das moderne Katowice. Eine tolle und sehr saubere Stadt mit vielen Restaurants und Geschäften, welche zum Bummeln einluden. Mitten im Zentrum befand sich die Spodek Arena ein Gebäude, welches von außen einem riesigen Ufo glich. Hier fand die größte Show der Tour statt.
Auch in Polen waren die Fans wieder früh am Start, trotzdem ging es beim Einlass erneut sehr diszipliniert zu. Kein Geschiebe oder Gedrängel und auch in der ersten Reihe blieb genügend Bewegungsfreiheit übrig. Die Arena bot eine beeindruckende Kulisse und bei JESUS PIECE waren die Fans schon mehr als gut gelaunt.
OBITUARY wurden gefeiert, als stünde bereits der Headliner auf der Bühne, allerdings fiel die Stimmung bei JINJER komplett ab. Mehr als einen Höflichkeitsapplaus hatten die Polen nicht für die Ukrainer übrig und gelangweilte Mienen machten sich während der Show auf den Gesichtern breit.
Dafür waren die Polen zu 120 % im Feiermodus, als „Policia“ aus den Lautsprechern tönte. Als die Brasilianer die Bühne enterten, gab es dann kein Halten mehr.
Der Auftritt in Katowice war von einer kleinen Pannenserie durchzogen. Wer Mastermind Andreas Kisser kennt, weiß, wie angefressen der Perfektionist auf gerissene Gitarrensaiten etc. reagiert. Trotzdem lieferten die Brasilianer wieder eine fette Show ab und brachten die Arena zum Beben. Kaum vorstellbar, aber die Atmosphäre in der riesigen Halle war sogar noch um einiges intensiver als in Budapest.
Die Schlussetappe der Tour führte mich in die tschechische Hauptstadt nach Prag. Obwohl ich Prag wie meine Westentasche kenne, ging ich wieder auf Entdeckungstour und ließ mich einfach treiben und genoss den ganz eigenen Flair dieser Stadt.
Die letzten beiden Shows der Tour fanden im O2 Universum, dem neuen modernen multifunktionalen Kongress- und Kulturzentrum, statt. Beide Abende waren ausverkauft.
Die Sicherheitskontrollen in Prag waren die strengsten der ganzen Tour. Gleich hinter der Eingangstür musste man einen Körperscanner passieren. Hatte man diesen durchlaufen, kam noch ein Typ mit einem Handscanner daher, anschließend winkte noch die Taschenkontrolle, bevor sich mit dem QR-Code vom Ticket das erste Drehkreuz öffnete. Ein kurzer Fußweg führte zu einer Rolltreppe, die ins Untergeschoss führte. Hier hieß es noch einmal warten, anstehen, durchs Drehkreuz schlüpfen und noch ein paar Treppen bewältigen, bevor man endlich im Innenraum der Halle stand.
JESUS PIECE waren an diesen beiden Abenden besonders gut aufgelegt. Die Amis tobten wie wild über die Bühne und spielten mit Abstand ihre besten Shows der Tour.
Während es bei JESUS PIECE auf der Bühne ordentlich zur Sache ging, hielt sich der Bewegungsradius von OBITUARY wieder stark in Grenzen. Allerdings erwartete dies auch niemand von den Death Metal Urgesteinen. Frontgrunzer John Tardy und seine Mannschaft brachten auch ohne großartige Animation die Matten zum Fliegen und den Moshpit zum Explodieren.
Von JINJER erlebte man wie gewohnt eine emotionslose und unnahbare One-Woman-Show von Frontfrau Tatiana. Freunde wurden die oldschool Metalfans und die Ukrainer auch in Tschechien keine mehr.
Der erste SEPULTURA Abend in Prag war einer der Besten, welchen ich bis jetzt von der Band erlebt habe. Dies lag vor allem auch an dem fantastischen Publikum. „SEPULTURA–SEPULTURA“ Sprechchöre erschallten immer wieder und die Band wurde gefeiert, als gäbe es kein Morgen. Die Schädelschwinger gingen ab „Refuse/Resist“ komplett steil und im Moshpit ging über die ganze Show mächtig die Luzie ab.
D-Zug gleich pflügten SEPULTURA mit einer wahnsinnigen Energie durch ihr Set und die Spielfreude der Band übertrug sich direkt auf die Metalheads. Der Vierer bekam das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht und man merkte, dass die Brasilianer den Zuspruch der Fans in jeder Minute ausgiebig genossen.
Bei „ARISE“ glich die Halle dem reinsten Tollhaus und bei den Rufen nach einer Zugabe platzte einem fast das Trommelfell. Bei „Ratamatta“ und „Roots“ wurden die letzten Energiereserven mobilisiert und die Halle in Schutt und Asche gelegt. Was war das bitte für ein geiler Gig?!
Als die Fans die Halle verließen, nahmen die „SEPULTURA–SEPULTURA“ Rufe kein Ende. Selbst in der Tram hallten die Sprechchöre noch nach.
Auch die zweite Show war für SEPULTURA wieder ein klarer Erfolg. Allerdings empfand ich die Stimmung in der Halle als nicht ganz so ausgelassen wie am Vorabend.
OBITUARY überraschten bei ihrem letzten Auftritt ihren Guitartech Erik Payne und dieser ersetzte für einen Song seinen Boss Ken Andrews an der Axt. Erik nutzte die Gunst der Stunde und bewies seine spielerischen Qualitäten.
SEPULTURA spielten wieder eine fantastische Show, aber es schwang dann doch unterschwellig so etwas wie Wehmut mit und der Abschied schien auch an ihnen nicht spurlos vorüberzugehen. Die Halle tobte und nach „Roots“ verabschiedeten sich die Brasilianer noch einmal ausgiebig von ihren Fans.
Sollte es das wirklich gewesen sein? Ging die Ära SEPULTURA hier in Prag für mich zu Ende? Wir werden sehen….
Mein Dank geht an die für mich beste Band der Welt, SEPULTURA, für 40 Jahre großartige Musik, Konzerte voller Energie und verrückter Erlebnisse auf Tour. Und natürlich an die komplette Crew, welche an jedem Abend einen hervorragenden Job ablieferte.
Ein spezieller Dank geht an meinen Freund und Fotograf GORKA RODRIGO und dem Meister himself ANDREAS KISSER, welche mir die einmalige Gelegenheit ermöglichten, mit meinen Idolen in Offenbach auf der Bühne zu stehen und „Kaiowas“ zu spielen.
Durch SEPULTURA sind viele Freundschaften entstanden, und ich werde die gemeinsamen Treffen auf den Konzerten sehr vermissen. Die riesige Vorfreude auf die Touren und die Planung meiner Roadtrips werden mir sehr fehlen. Es war eine verdammt geile Zeit, die ich erleben durfte, und ich bin dankbar für jeden einzelnen Moment.
SEPULTURA ist ein Teil meines Lebens seit meiner Teenagerzeit und diese liegt nun schon ein paar Jahrzehnte zurück. Vieles änderte sich über die Jahre, neue Prioritäten wurden gesetzt, doch die Musik von SEPULTURA war immer meine Konstante im Leben, in guten wie in schlechten Zeiten.
DANKE SEPULTURA für ALLES!
Text+Fotos: Sandra Baumgartl