Das lange Warten hatte endlich am Freitag, den 23.06.2017 ein Ende. Meine brasilianischen Metalgötter Sepultura schlugen wieder in Europa auf und nach meiner/unserer wahnsinnig erlebnisreichen und lustigen Tour im Winter ging es auch diesmal wieder los. Allerdings mit neuer Karre und funktionierender Heizung bzw. Klimaanlage.
Mein „Tourauftakt“ begann im beschaulichen Dischingen auf dem Rock am Härtsfeldsee. Kaum auf dem Gelände angekommen, trottete Kollege Harry schon direkt in meine Arme. Die Wiedersehensfreude war groß, sehen wir uns doch sonst nur in Tolmin bei den Metaldays. Im Hintergrund hämmerte derweil Onkel Tom seine Partymucke unters Volk, während sich ein Großteil der Fans an den Fress- und Getränkeständen die Zeit vertrieb. Gorka, unser Lieblingsfotograf war natürlich auch wieder mit dabei. Sepultura hatten am Härtsfeldsee nicht ihren besten Tag. Einen Tag vorher, auf dem With Full Force Festival musste ihr Auftritt wegen der Wetterkapriolen ins Wasser fallen und auch in Dischingen war die Stimmung nicht die Beste und vor allem auch der Sound ließ arg zu wünschen übrig. Nichtsdestotrotz rotzten sie ihr Set mit viel Energie ins Publikum und wurden von den Fans abgefeiert. Luft nach oben war aber nach diesem Abend noch verdammt viel.
Am 27.06. ging es dann nach Österreich ins Conrad Sohm. Der kleine Club liegt mitten im Nirgendwo und beim ersten Besuch fährt man deshalb gern dran vorbei, denn der Schuppen macht eher den Eindruck einer alten Bretterbude als den eines Musikclubs. Doch die Atmosphäre im Innenraum ist einfach unschlagbar. Dort hatte ich bereits schon Volbeat vor knapp zehn Jahren vor ca. hundert Nasen spielen sehen. Und an diesem Abend waren alle Probleme wie weggeblasen. Eigentlich sollten Aborted Sepultura supporten, doch diese mussten die Tour (zu meinem Glück) leider absagen. So durften die Thrasher von Sweeping Death den Abend eröffnen. Anschließend machten die Evil Invaders ihrem Namen alle Ehre und hinterließen schon früh ziemlich zerstörte und erschöpfte Fans. Sepultura hauten dann mit ihrem Auftritt noch einmal ordentlich eine Schippe drauf und legten den Laden, wie nicht anders zu erwarten, in Schutt und Asche. Die Setlist war einfach zum Niederknien, vor allem weil das geniale Instrumental vom neuen Album „Iceberg Dances“ in die Meute gefeuert wurde. Doch auch alte Kracher wie „“Arise“, „Territory“, „Ratamahatta“ und natürlich „Roots“ durften nicht fehlen. Die Brasilianer sind in der Form ihres Lebens und knüppelten sich mit viel Spielfreude durch ihr Set. Fett, fett, fett!
Am nächsten Tag ging es Richtung Norden nach Aschaffenburg in meinem ehemaligen Lieblingsclub, den Colos Saal. Und auch hier läuteten die Evil Invaders den Abriss gekonnt ein. Sepultura wurden von der ersten bis zur letzten Minute gefeiert und der Colos Saal drohte zu explodieren. Während der Show lernte ich zwei netten Typen kennen, welche zig Platten und Fotos dabei hatten um diese signieren zu lassen. Nach dem Konzert trafen wir uns vor der Halle wieder und ich entschloss mich, mit den beiden auf die Band zu warten.
Seit mehr als 25 Jahren bin ich ein Fan der Brasilianer, habe unzählige Konzerte gesehen, bin öfter mit ihrem Konzertfotograf Gorka unterwegs, habe sie schon getroffen und doch ist es jedes Mal ein ganz besonderer Moment ihnen direkt gegenüber zu stehen. Denn beim Hardcore-Fan schalten die Synapsen in diesem Fall auf Kurzschluss. Dies äußert sich in Herzrasen oder-stillstand, schweißnassen, zitternden Händen, Knien welche die Konsistenz von Pudding zu haben scheinen, Schnappatmung und meist auch im fast kompletten Verlust der Sprache. Sprechen in ganzen Sätzen in diesem Zustand – UNMÖGLICH. So auch an diesem Abend geschehen, als Mr. Kisser mit seinem strahlendsten Lächeln vor mir stand und mir jedes Wort umständlich aus der Nase zog. Als er mich dann in den Arm nahm, setzte der Herzschlag endgültig aus und die Pudding-Knie versagten fast komplett ihren Dienst. Auch wenn man kein Teenager mehr ist, ein Fan bleibt man ein Leben lang und die Reaktionen sind die Gleichen, egal ob jung oder alt.
Von Aschaffenburg ging es am nächsten Tag Richtung Schweiz nach Aarau. Auch hier stand wieder eine kleine Clubshow an. Und wer Sepultura kennt, weiß dass die Brasilianer kleine Clubshows lieben. Hier war auch Gorka wieder mit von der Partie und von der ersten bis zur letzten Sekunde feierten Sepultura mit ihren Fans eine Thrash Sause vom Feinsten.
Am Freitag stand dann wieder ein Festival, dass Schmittner Open Air, auf dem Programm. Schmitten ist ein kleines Kaff, eine halbe Fahrstunde südlich von Bern gelegen. Auf dem Festivalgelände konnte man die Kuttenträger an einer Hand abzählen, wurde doch auf der Hauptühne Hip Hop und im Zelt Rap gespielt. Sepultura schienen in dieses Lineup überhaupt nicht zu passen. Doch als das Quartett um 23:00 Uhr die Bühne enterte wurde der Acker vor der Bühne direkt von Beginn an von den Circle Pits und moshenden Fans umgepflügt. Keine Ahnung aus welchen Löchern die ganzen Sepultura Fans gekrochen kamen, aber sie feierten zahlreich und lauthals und forderten schon, kaum dass das Set begonnen hatte: „Arise“ und „Roots Bloody Roots“! Sepultura ließen nichts anbrennen und feuerten einen Brecher nach dem anderen in die wilde Meute. Meinen Platz in der ersten Reihe musste ich mir bei jedem Song hart erkämpfen, doch egal, Hauptsache die Jungs live erleben dürfen. Auch der Wettergott schien Sepultura-Fan zu sein, denn es fing erst an zu regnen als die letzten Töne von „Roots“ verklungen und Pleks und Drumsticks verteilt waren. Perfektes Timing.
Leider musste ich meine letzten drei geplanten Shows (Antwerpen, 08.07. / Zwolle 09.07. und Münster11.07.2017) aus beruflichen Gründen stornieren und ich hoffe, Sepultura lassen sich auch 2018 wieder in Europa blicken. Denn auch nach dreizehn Shows und mehr als 10.000 gefahrenen Kilometern habe ich noch lange nicht genug von meinen Brasilianern.
(Text: Sandra Baumgartl )
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