Was Orkan Xaver nicht gelang, ist für die Pioniere des Melodic Death kein Problem: Denn im Dezember brachten DARK TRANQUILLITY mit ihrer „Construct-Tour“ deutschlandweit Wände zum Beben und triefen. In Hamburg konnten wir den dauerzufriedenen Sänger Mikael Stanne jedoch kurz zum Verschnaufen bringen und für ein kleines Bierkränzchen in Anspruch nehmen.
Ihr hattet große Schwierigkeiten bei der Umsetzung eures letzten Albums, trotz Schreibblockade und völlig unterschiedlichen Vorstellungen habt ihr es aber dennoch geschafft, eine weitere großartige Scheibe zu veröffentlichen. Was habt ihr aus dieser schwierigen Situationen für die Zukunft mitgenommen und wie wollt ihr an euer nächstes Album herangehen?
Noch besitzen wir keine handfesten Ideen für das nächste Album, aber wir haben uns mit „Construct“ in einer Weise neu erfunden und vor allem unseren Schreibprozess verbessert. Diese Erfahrung war so interessant und lohnenswert, dass wir uns richtig darauf freuen, wieder ins Studio zu gehen und loszulegen. Und obwohl wir damals so große Schwierigkeiten mit den Aufnahmen hatten, haben wir daraus gelernt, dass eine neue Arbeitsweise unglaublich wichtig für uns ist – wir wollten aus Enthusiasmus über diese Erkenntnis sogar kürzlich wieder einfach so ins Studio gehen und irgendeinen Mist aufnehmen, Coversongs oder sowas…
Also ist es besser für eure Arbeit, wenn ihr euch genaue Zeiten vorgebt, zu denen ihr im Studio erscheint und dann regelmäßig zusammen an eurer Musik schreibt?
Genau, wir handhaben es, wie ein ganz normaler Job, treffen uns morgens um 9 Uhr und haben feste Zeiten, zu denen wir arbeiten.
Nun musstet ihr ja eure letzte Europatour absagen, aber seid nun glücklicherweise zurück – wenn du für eine Tour packst, was sind dann Dinge, die zu jedes Mal mitnimmst, aber im Bus nicht ein einziges Mal benutzt?
Oh Gott, ja. Ich nehme immer tonnenweise Filme oder Serien mit, fülle meinen iPod mit unzähligen Songs, aber nehme so gut wie gar nichts davon in Anspruch. Ich bin zu geistig beschäftigt mit den Konzerten, als dass ich mich entspannen und mit so etwas beruhigen könnte – und das obwohl wir endlos viel freie Zeit haben!
Aber dafür hast du vor ein paar Tagen auf deiner Twitterseite verzweifelt nach Ratschlägen gesucht, in welcher Stadt du eine XBoX One kaufen kannst. Es scheint ja geklappt zu haben und das gute Stück ist in deinem Besitz, nutzt du sie wenigstens dementsprechend?
YESSS! Am liebsten spiele ich „Assassins Creed – Black Flag“, es ist SO großartig, ich kann gar nicht mehr aufhören!
Du wirkst auf der Bühne durchgehend grandios gelaunt und machst immer den Eindruck, sehr ausgeglichen zu sein – liegt es daran, dass du dich in deiner Musik so sehr austoben kannst? Oder denkst du, dass an dem Klischee, dass Metal aggressiv macht, etwas dran ist?
Nein, ich denke es ist genau umgekehrt. Musik macht nicht aggressiv. Für mich ist sie eher eine Möglichkeit starke Gefühle herauszulassen, anstatt sie aufzustauen. Metal ist ein großartiger Stimmungsaufheller, wenn es einem schlecht geht… und die Musik selbst zu machen natürlich umso mehr, wo darf man denn sonst so herzhaft laut rumschreien? Da kommen die ganzen Endorphine endlich frei!
Auf Tour wird das für mich beinah zu einer Sucht, denn dieser Adrenalinkick auf der Bühne ist einfach großartig und deshalb bin ich so gut wie immer super gelaunt.
Du bist ja bekannterweise ein großer Gegner von Religion, trotzdem würde mich interessieren: Feierst du Weihnachten?
Ja! Ich freue mich sogar sehr darauf. Das Essen, die Familie und ich mag auch gewisse Traditionen, die müssen ja nichts mit Religion zu tun haben. In Schweden ist ein Fest über die Feiertage nicht zwangsläufig mit dem Christentum verbunden, Religion und Staat sind dort klar getrennt und deshalb gilt für uns nur: Glühwein trinken und mit Freunden abhängen… und natürlich Fressen bis man umfällt!
Um nochmal auf eure abgesagte Tour zurück zu kommen… Ihr hattet schwere Probleme mit den Promotionpartnern, was so chaotische Arbeitszustände zur Folge hatte, dass die Konzerte nicht mehr machbar erschienen – was waren denn die schlimmsten Umstände, unter denen ihr in eurem Leben getourt habt?
Früher sind wir mal alle in einen Wohnwagen gequetscht durch die USA gefahren – einerseits war es die amüsanteste, andererseits die härteste Tour, im Nachhinein lachen wir darüber, jetzt wo wir die Busse haben, aber ach, auch die haben öfter mal eine Panne.
Und irgendwann waren wir in Georgien, das war die reinste Hölle, da der Promoter wirklich jeden verarschte. Es sollte ein Open Air werden und als wir um 18 Uhr ankamen, stand nicht einmal die Bühne! SABATON und wir sollten dort spielen, sie kamen auf sechs Songs, wir selbst performten nur vier, weil einfach nicht genug Strom vorhanden war, um unsere Anlage anzufeuern, insbesondere die Gitarren. Also spielten wir vier Stücke ohne Gitarren! Das war mit Abstand unsere schlimmste Show!
Deine Texte sprechen dir oftmals aus der Seele und sind sehr persönlich. Gibt es Songs, die du nicht live performen willst oder kannst, weil sie dir zu nahe gehen?
Eigentlich nicht. Es gibt durchaus Lieder, bei denen ich denke, dass es schmerzen wird, sie live zu singen, andererseits ist es mir stets wichtig gewesen, eigene Krisen zu überwinden. Wenn ich also über etwas schreibe, das mir sehr nahe ging, dann oftmals auch, um das Thema hinter mir zu lassen und es zu verarbeiten. Und ich finde es im Prinzip sehr schön, wenn ich darüber singen kann und weiß, dass diese Zeiten vorbei sind, auch wenn ich mich noch genau daran erinnern kann, wie ich mich beim Schreiben fühlte. Das führt mir vor Augen, wie gut es mir im Moment geht.
Und was ist der persönlichster Song, den du je geschrieben hast?
Puh… ich schätze auf dem neuen Album ist es auf jeden Fall „What Only You Know“.
Ihr seid nun schon seit über zwanzig Jahren Pioniere der Szene, gibt es dennoch etwas, das dich schon immer am Metal gestört hat und was du hasst?
Ich stehe nicht auf kostümierte Bands, die übertrieben verkleidet sind. Oder Bands, die eigentlich nichts zu bieten haben, außer einem coolen Namen oder ein schickes Aussehen. Ebenso wie Musiker, die bitterböse aussehen und sich darstellen, musikalisch aber gar nicht ernst zu nehmen sind. Für mich ist immer wichtig, dass die Musik stimmt, um Image und Look kann man sich immer noch kümmern – und falls der Sound richtig genial ist, braucht man sich nicht einmal Gedanken über das Aussehen machen.
Okay Mikael, zum Abschluss: Jetzt wo das Jahr fast vorbei ist, was sind deine Lieblingsalben von 2013 gewesen?
Hmmm… ich würde sagen „The Raven That Refused To Sing“ von STEVE WILSON, KARNIVOOLs „Asymmetry“ und „Earth Rocker“ von CLUTCH. Das sind jedenfalls die Alben, die ich mir in diesem Jahr am häufigsten angehört habe!
Text: Anne-Catherine Swallow
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