Mit Ville Valo in Hamburg am 5.Oktober 2013
Vor 13 Jahren revolutionierten sie den Gothic Metal mit “Join Me”, waren im Großformat als Bravo-Poster erhältlich und sind bis heute als Melancholie-Rocker noch regelmäßig ganz hoch in den Charts vertreten: HIM. Sie werden einfach nicht älter und begeistern nun mit ihrem neuen Album “Tears on Tape” Fans zwischen 10 und 100. Noch immer gilt Ville Valo als sexy Vorzeigefinne und ringt mit Hilfe seiner düsteren bebenden Stimme auf jeder Scheibe mit dem Tod und der wahren Liebe, hin und wieder hat er aber auch mal Zeit für ein Bierkränzchen und empfing uns vor seinem Gig in Hamburg am 6. Oktober.
Dass du eure neuste CD „Tears on Tape“ genannt hast, sollte eine Hommage an deine musikalischen Idole sein, die im übertragenen Sinne Tränen auf ihre Tonbänder tropfen ließen und du sagtest schon, dass Musik für dich wie ein Tagebuch ist. Gibt es ganz bestimmte Songs, die du mit erinnerungswürdigen Momenten deines Lebens verbindest?
Amüsante Zeiten mit den Finnen in der Großen Freiheit 36 Witzigerweise vor allem finnischer Schlager! Meine Eltern hörten früher immer solche Schmalz-Songs und deshalb verbinde ich viele davon mit meiner frühsten Kindheit. Als ich dann in die Schule ging, war der Soundtrack zu meinem Leben KISS, WASP oder Twisted Sister! Wobei ich sagen muss, dass ich diese Musik weniger mit konkreten Momenten verbinde, vor allem kommen da Gefühle hoch, die ich zu dem und dem Zeitpunkt durchlebte. Der Beginn des Frühlings, die ersten Herbstblätter…
Oder der Schulabschluss?
Genau! Wobei man bei so alter Musik immer wieder neue Erinnerungen dazu sammelt, je nachdem in welcher Ära seines Lebens man sie hört.
Du beschreibst Tränen als wichtigen Bestandteil deines Lebens, die der Existenz erst richtig Tiefe verleihen und dich die guten Momente schätzen lassen – welche Songs rühren dich denn zu Tränen? Und sind darunter auch selbstgeschriebene?
Schon, das sind aber Freudentränen, die besonders dann kommen, wenn du etwas erreicht oder zu Ende gebracht hast! Sei es die Fertigstellung eines Albums, aber auch der Moment, in dem du merkst, dass deine Songs langsam Form annehmen, nachdem du so viel Zeit bei der Probe verbracht hast. Dann die Aufnahme und natürlich das Zittern vor der Veröffentlichung, das nimmt einen doch gewaltig mit.
Und später fühlt man dann die Erinnerungen an die Zeit hochkommen, und weiß sofort wieder, wie man sich fühlte, als man einen gewissen Song schrieb oder man erhält neue Erinnerungen, während man das Lied live spielt. Oftmals sind solche Songs wie mein privates Tagebuch, obwohl die Texte nicht zwangsläufig auf die Realität Bezug nehmen, es sind mehr Artefakte aus einer Epoche.
Wie fühlt es sich denn für dich an, ganz alte Songs wie „Join me“ oder „Right Here in My Arms“ zu spielen, magst du es oder geht es dir nach all den Jahren auf die Nerven?
Zu einer gewissen Zeit tat es das, mittlerweile ist das aber nicht mehr der Fall. Denn jeder Song wir jeden Abend neu geschrieben, es ist ein anderes Publikum, eine andere Stimmung, eine andere Halle – und das macht den Unterschied. Wenn ich mir hingegen vorstelle, hundert Gigs am Stück in der Großen Freiheit hier spielen zu müssen, wäre es wohl schon frustrierend, denn jede Nacht nur dasselbe zu sehen, würde es langweilig machen.
Aber so wie es nun ist, liebe ich es, die unterschiedlichen Lichtverhältnisse einer Halle, die Reaktion des Publikums, so bleibt es immer spannend.
Wenn du auf deine Karriere zurückblickt, wo siehst du eine Weiterentwicklung in deiner Musik? Viele Kritiker werfen euch ja vor, seit Jahren immer wieder dasselbe Album zu veröffentlichen – trifft dich das oder siehst du es komplett anders?
Nun, ich sage mir, wenn Leute sich nicht für HIM interessieren, dann tun sie das eben nicht und finden unsere Musik eben eintönig. Dasselbe Problem haben ja viele mit AC/DC – wenn du hingegen Fan der Musik bist, findest du in jedem Album einen Unterschied. Sicherlich haben wir nie radikal unseren Stil geändert und jeder bei uns spielt sein Instrument noch so, wie er es vor Jahren tat, aber das macht ja unsere musikalische Identität aus. Und aus unserer Sicht haben wir uns allein deshalb geändert, weil wir ja über all die Jahre hinweg erwachsen wurden. Begonnen haben wir als Teenager, mittlerweile sind viele von uns verheiratet, haben Kinder und ein Haus und ich denke schon, dass sich das in unserer Musik widerspiegelt. Es geht uns nicht darum zwanghaft besser, toller oder größer zu werden, viel mehr suchen wir in der Dunkelheit nach einem Stück Gold, von dem wir wissen, dass es verdammt nochmal irgendwo sein muss. Und wir wollen nicht aufgeben.
Aber zuallererst schreiben wir die Songs für uns selbst, um ein neues Türchen im Kopf zu öffnen und wir merken vermutlich größere Unterschiede in unserer Musik als andere Leute das tun. Aber irgendwie müssen wir ja auch mit dem arbeiten, was uns zur Verfügung steht, ich kann meine Stimme nicht radikal ändern und klingen wie Cher! Wäre ja schön… wobei… nee, nicht wirklich.
Wie verbringst du denn deine Freizeit, wenn du relaxen möchtest, hast du ein klassisches Häuschen im Wald?
Wenn ich in Finnland bin, treffe ich mich meist mit alten Freunden und hänge mit ihnen ab – je nachdem, wie diese Leute drauf sind, gestaltet sich dann auch meine Freizeit, mit manchen gehe ich schick essen, mit anderen spiele ich Billard und saufe. Direkte Hobbies habe ich aber gar keine, muss ich zugeben. Und ein Häuschen im Wald leider auch nicht.
Verdammt! Aber bleiben wir mal bei den Freunden: Steht für euch in Zukunft mal wieder eine Zusammenarbeit mit Jackass Bam Margera an?
Schwer zu sagen, er reist momentan selbst sehr viel mit seiner Band und beruflich durch die Welt und da er kein Fan von Mails oder Telefonen ist, reden wir nur, wenn wir uns mal sehen. Ich liebe den Kerl, er ist großartig, aber leider hatten wir in letzter Zeit wenig Gelegenheit miteinander abzuhängen. Was nicht heißt, dass wir nicht trotzdem nochmal ein Video mit ihm drehen werden oder ähnliches.
Okay, letzte Frage: Was wäre ein Grund für dich, jemals damit aufzuhören, Musik zu machen?
Der Tod!
Das nehmen wir mal beim Wort und hoffen, dass bis dahin noch etwas Zeit bleibt… Besten Dank an Ville Valo und ja – ganz heimlich schmolz mein längst verschollenes Teenieherz dahin.
Interview: Anne-Catherine Swallow